Eine Frage der Ästhet(h)ik
Design, quo vadis?
Design ist viel mehr als bloß Stil. Ästhetik und Ethik sollten Hand in Hand gehen – heute mehr als je zuvor, jetzt, da das Thema Umweltschutz zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wir haben uns mit Branchenexperten unterhalten, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben und die neusten Trends verfolgen. Ein Bericht über soziale Verantwortung und Produktionsprozesse.
Aus der bisher umfangreichsten Studie von Booking.com zum Thema nachhaltiges Reisen geht hervor, dass für 81 % der weltweit Reisenden der Umweltaspekt bei der Urlaubsplanung sehr wichtig ist; dies stellt einen Anstieg von fast 20 % im Vergleich zu 2021 dar. Mehr als ein Drittel (35 %) legen bei der Wahl der Unterkunft zudem Wert darauf, dass sich diese in Sachen Nachhaltigkeit bemüht.
Neben verschiedenen Maßnahmen spielen diesbezüglich die Architektur sowie die Innen- und Außeneinrichtung eine wichtige Rolle. „Alles ist gut, was gut beginnt“, könnte man sagen, denn schätzungsweise werden die Umweltauswirkungen eines Produkts bereits zu 80 % bei der Planung definiert. Nachhaltigkeit ist heute also auch das Zauberwort im Design. „Wir hätten vor mindestens 20 Jahren anfangen müssen, bevor die Situation so allarmierend wurde, aber wie heißt es so schön: Besser spät als nie“, sagt Martino Gamper, dem ökologisches Design besonders am Herzen liegt. Bereits im Jahr 2007 erreichte der gebürtige Meraner als Designer internationalen Erfolg mit seinem Upcycling-Projekt „100 Stühle in 100 Tagen“. Aus Abfallmaterialien von Freunden sowie von den Straßen Londons – wo er am Royal College of Art studierte und heute lebt – stellte er täglich für einen Zeitraum von 100 Tagen einen Stuhl her, wie der Namen des Projekts bereits erahnen lässt. Die ausgewählten Ressourcen sind eine klare Stellungnahme und zeugen von hoher Sensibilität gegenüber der Umwelt. Sie stehen somit im Kontrast zu unserer Wegwerfgesellschaft. „Es ist viel von recycelten Materialien die Rede, aber in erster Linie geht es darum, Dinge nicht wegzuwerfen und so den Grundsatz unserer modernen Industrie in Frage zu stellen. Zum Glück ist die Gesellschaft heute viel empfänglicher für Umweltthemen und daher auch bereit, den eigenen Lebensstil zugunsten der Qualität zu überdenken.“
Die richtigen Wertvorstellungen
Wenn man den Ausdruck „Green Design“ hört, denkt man sofort an biologische, nichtgiftige Materialien, an die kontrollierte Herkunft der Rohstoffe, die umweltfreundliche Verpackung und an ökologischen Lack. Das ist richtig und wichtig, aber nachhaltiges Design geht noch weiter: Die Langlebigkeit eines Produkts spielt eine Rolle ebenso wie die Förderung handwerklich hergestellter Werke und ein positiver Effekt für die Gesellschaft. „Was nachhaltiges Design für mich bedeutet? Nun, ich finde, der Begriff ist inzwischen abgenutzt … und relativ”, sagt Martin Gamper lächelnd und fügt provokativ hinzu: „Muss ein Produkt für die Gesellschaft oder für den Markt nachhaltig sein? Ich denke, es ist vor allem eine Frage der Wertvorstellungen. Ich selbst habe eine enge Beziehung zu Holz, es steht mir einfach nah. Ich habe verschiedene Werke aus recycelten Materialien hergestellt, aber ich verwende manchmal auch Kunststoff. Das ist heutzutage fast ein Tabu, doch Plastik ist nun mal sehr widerstandsfähig und langlebig. Das wichtige ist, das richtige Maß zu finden. Für mich bedeutet das, dass man Dinge nicht nach kurzer Zeit wegwirft, um etwas Neues zu kaufen, und nicht dem Konsum verfällt.”
Es geht also darum, weniger, aber besser zu konsumieren, Platz zu machen für nützliche Gegenstände, die langlebig und zeitlos sind. Neben dem Preis sind auch andere Faktoren zu berücksichtigen, wie die Abnutzung im Laufe der Jahre – sowohl vom materiellen Zustand her als auch vom Stil. Eine Sache ist gewiss: Was die Nachhaltigkeit betrifft, ist das Recycling eines bereits bestehenden Produkts immer besser als der Kauf eines neuen, das von Grund auf produziert werden muss, auch wenn dabei Rücksicht auf die Umwelt genommen wird. Der wahre Ehrgeiz in Sachen Design liegt darin, Funktionalität und Ästhetik gekonnt zu vereinen, so dass das Ergebnis lange Zeit denselben Wert behält, ohne aus der Mode zu geraten.
Die Dekortrends bestätigen es: Die Wiederverwendung von Vintage-Möbeln sowie ein zweites Leben für Secondhand-Produkte sind gerade en vogue, um der Umgebung einen Retrolook zu verleihen, zum Beispiel durch alte Truhen oder geflochtene Körbe aus Stroh. Dies ist jedoch nur möglich, wenn es sich dabei um hochwertige Handwerksprodukte handelt, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und somit auch an emotionalem Wert gewinnen. „Ich habe beobachtet, dass man Dinge wirklich schätzt, wenn sie einzigartig und persönlich sind. Warum sollte ich ein Objekt in Ehren halten, von dem es hunderte Exemplare gibt? Außerdem hat jedes Nischenprodukt seine ganz eigene Geschichte, der man zuhören sollte …“, so Martino Gamper, der den Faktor Handwerkskunst genauestens kennt (wobei die Geschichte des Produkts natürlich durch effektives Storytelling hervorgehoben werden sollte). Der in Meran aufgewachsene Designer, dessen Studio sich heute in London befindet, pflegt die Verbindung zu seiner Heimat durch die Zusammenarbeit mit Südtiroler Unternehmen und realisiert so einige seiner Projekte. „Ich selbst bin eigentlich Schreiner und schätze die Fingerfertigkeit der Handwerker sehr, die eine angemessene Entlohnung verdienen. Auch das ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie: Dem Herstellungsprozess Aufmerksamkeit schenken, so dass dieser im Gegensatz zur industriellen Produktion nicht ständig gleichbleibt, sondern vielmehr die Kreativität anregt.“ Ein Beispiel dafür ist die exklusiv für Pur Südtirol handgefertigte und lokal produzierte Salz- und Pfeffermühle: Sie zeigt sich in einer perfekten Symbiose aus innovativem Design und hochwertigem Handwerk und besteht aus heimischem, unbehandeltem Holz mit einem Keramikmechanismus, der vor Abnutzung schützt.
Die Natur auf dem Vormarsch
Die Natur ist Inspiration für interne und externe Einrichtungen in jeder Hinsicht: Es geht nicht nur darum, umweltfreundliche Lösungen zu finden, sondern die Natur soll nach dem Konzept des biophilen Designs auch in die Räumlichkeiten miteinfließen. Vielmehr als eine Tendenz ist dies eine Reaktion auf das Bedürfnis nach einer neuen Verbindung mit unserer Umwelt. Es wird also Platz gemacht für Elemente, die an die Natur erinnern und für einen Entspannungseffekt sorgen: Naturfarben wie Pastellgrün und Terracotta, nachhaltige Materialien wie Massivholz und Marmor, Tapeten mit Blumenmustern und Pflanzen für einen Indoorgarten sowie geschwungene Linien, die der Atmosphäre einen weichen Look verleihen. Außerdem verwischen die Grenzen zwischen innen und außen immer mehr. Hotels können auf diesen Zug aufspringen, indem sie Terrassen und Innenhöfen mehr Gewicht verleihen und sie in erholsame Grünoasen mit Wasserspielen verwandeln oder indem sie das natürliche Sonnenlicht durch große Fensterfronten in die mit pflanzlichen Elementen ausgestatteten Wohnbereiche hereinlassen.
Angesichts dieser Veränderungen ist es notwendig, dass jedes Unternehmen seine Beziehung mit den Kunden neu definiert und dabei auf ein Angebot Wert legt, das sich auf Qualität, langfristige Nachhaltigkeit und Kauferlebnis bezieht und weniger auf die anfänglichen Kosten. Vom Interior Design bis zur Hotellerie, von der Gastronomie bis zur Textilindustrie: Für eine Veränderung des Konsumverhaltens zum Schutz unserer Umwelt ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bereichen eines Sektors notwendig. So kann jedem Aspekt der nötige Respekt entgegengebracht werden – vor allem aber der Natur selbst.
Erleuchtende Trends
Auch im Bereich Lichtdesign gibt es zahlreiche Tendenzen: vom Minimalstil bis zu innovativen Smartkonzepten. Was sie jedoch alle gemein haben, ist das Streben nach Umweltverträglichkeit. Es ist längst keine Neuigkeit mehr, dass LED-Lampen hinsichtlich des Energieverbrauchs besonders effizient sind und man mit deren Hilfe im Vergleich zu konventionellen Lösungen bis zu 90 % Strom sparen kann. Inzwischen spenden diese Quellen über 80.000 Stunden lang Licht. Wenn Sie also schon länger darüber nachdenken, Ihre Lampen mit ähnlichen Vorkehrungen auszustatten, dann ist genau jetzt – in der Zeit der hohen Stromrechnungen und des Klimawandels – der perfekte Moment dafür. Mit nur einer kleinen Veränderung können Sie sofort Energie sparen und damit auch Geld. „Ein Produkt ist jedoch nicht nur grün, nur weil es weniger Strom braucht, sondern auch wenn es einen langen Lebenszyklus aufweist“, erklärt Philip Platino aus dem Unternehmen Platinlux und greift somit die Idee von Martino Gamper auf. „Die wahre Herausforderung für Designer ist es, die LED-Leuchten mit langlebigen Formen zu verbinden, deren Leuchtkörper entweder einzeln ausgetauscht werden kann oder deren Qualität für Jahre hält.“ Vor allem in großen Gebäuden, wie in einem Hotel, darf die Planung der Beleuchtung nicht unterschätzt werden. Der Rat des Experten lautet deshalb, nicht mit den LED-Leuchten zu übertreiben, nur weil sie wenig verbrauchen, sondern auch natürliche Lichtquellen zu nutzen sowie maßgeschneiderte Lösungen für die verschiedenen Bereiche zu finden; dabei sollte der Fokus auf die gewünschte Atmosphäre und die notwendige Lichtstärke gelegt werden. Außerdem bietet es sich an, das Potenzial smarter Technologien im Rahmen des immer mehr verbreiteten Interaction Designs auszunutzen. So können die Lichter in den verschiedenen Bereichen automatisch und je nach Bedarf ein- und ausgeschaltet und so unnützer Konsum vermieden werden.