Taffe Köchinnen braucht die Welt
Bodenständig, lebensfroh und ganz schön anders: Tina Marcelli, Jahrgang 1986, zählt heute zu den wenigen Frauen, die sich in der Spitzengastronomie im Alpenraum einen Namen gemacht haben. Sie selbst beschreibt sich als Freigeist. Nicht umsonst. Ihre Lehre beim eigenen Vater brach sie nach einem Jahr ab und arbeitete aus Trotz für einige Zeit als Verkäuferin in einem Sportgeschäft. Die Leidenschaft für das Kochen hatte ihr die Oma in die Wiege gelegt. Diese Passion war schlussendlich dann doch größer und hat Tina zurück in die Welt der Küchen geholt.
Heute kocht Tina auch schon mal mit ihrem Papa Marcello zusammen. Für sie ist er der typische italienische Koch. Nach mehreren Erfahrungen in Südtirol, Österreich und Deutschland ist ihr Reich heute das Restaurant Artifex im Feuerstein Nature Family Resort in Pflersch, nahe dem Brenner. Ihre Philosophie in der Küche ist einem ständigen Wandel unterzogen. Regelmäßig lässt sich die aus dem Ahrntal stammende Köchin von neuen Einflüssen inspirieren und setzt diese mit Experimentierfreude um.
„Wenn ich mal etwas Neues im Kopf habe, dann lasse ich nicht locker, bis ich es auf dem Teller hab.”
So kreiert sie zum Beispiel Gerichte, die aus farbähnlichen Zutaten bestehen. Gar nicht so einfach. Aber was dabei rauskommt, gleicht einem Kunstwerk, das nicht nur schmeckt, sondern ein wahrer Eyecatcher ist. Und genau damit trumpft sie bei den Gästen. Bei Großen und Kleinen. „Wenn ein Gast bis hier in das Pflerschtal kommt, dann will ich ihn begeistern. Er soll sich noch lange an das Essen hier erinnern“, beschreibt sie ihre Mission.
Bei ihr darf es also gern mal anders sein, auch wenn die Chefköchin stets weiß, wo ihre Wurzeln sind. Denn ihrem Südtiroler Ursprung bleibt sie trotz ihrer weltoffenen Art auch in der Küche treu. So besinnt sie sich gerne immer wieder darauf und setzt bei Rezepten an, die ihr einst die Oma übermittelt hat. „Bei ihr gab es immer einen Gerstenrisotto”, erinnert sich Tina. „Noch heute kann ich diesen besonderen Duft riechen, wenn ich mich an die Oma vor dem großen Kochtopf erinnere.” Diese Erinnerungen lässt Tina gerne wiederaufkommen und interpretiert Gerichte wie diesen Gerstenrisotto in ihrem Menü neu. Nie zu kurz kommen dürfen bei ihren Kreationen Gewürze, die nicht unbedingt alle im heimischen Garten wachsen. Großen Wert legt sie auch stets auf die Natürlichkeit aller Zutaten. So sind Geschmacksverstärker oder künstliche Farben komplettes Tabu.
„In der Welt bin ich zu Hause, aber mein Herz ist in Südtirol.“
Kreativität verlangt Energie und diese findet Tina in ganz besonderen Ritualen: Jeden Tag nimmt sie sich mindestens eine halbe Stunde Zeit, um zu zeichnen, zu lesen oder zu meditieren – ein Ausgleich, der ihrer Kreativität neue Impulse gibt und sie auftanken lässt. Dass gute Laune und volle Power ansteckend sind, weiß sie als Chefin einer Küchenbrigade mit über 20 Personen sehr genau. Gerade deshalb sind die eigene Begeisterung und motivierte Haltung für sie Voraussetzung für eine erfolgreiche Teamarbeit. Täglich daran zu arbeiten, ist für Tina ein Must.
Denn die Arbeit in einer Küche ist nicht immer ein Honigschlecken. Warum auch heute noch immer mehr Männer als Frauen in der Spitzengastronomie das Sagen haben, führt Tina auf ein teilweise überholtes Image zurück: „Der Ton in den Küchen war und ist oft sehr rau, der Arbeitsalltag mit bis zu zwölf oder sechzehn Stunden sehr hart. Das hat schon viele junge Frauen abgeschreckt. In meinem Team arbeiten heute sechzehn Frauen und acht Männer. Wir zeigen, dass die Philosophie auch eine ganz andere sein kann.“ Dabei zählen geregelte Arbeitszeiten, eine Fünf-Tage-Woche und angemessene Bezahlung zu den wichtigsten Aspekten, die laut Tina dazu beitragen, den jungen Talenten eine Perspektive zu geben und dem immer noch anhaltenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Wenn man Tina nach ihrem Lieblingsrezept fragt, dann hat sie keine eindeutige Antwort. Zu groß sind ihre Neugier und Experimentierfreude sowie ihre Lust, sich immer wieder neuen Gerichten zu widmen. So kommt es auch oft vor, dass sie an ihrem freien Tag in der eigenen Küche steht und ein neues Kuchenrezept ausprobiert. Im Anschluss macht sie sich dann damit auf den Weg zu ihrer mittlerweile 95-jährigen Oma, die noch immer zu ihren Musen zählt.
Dass Kochen viel Freude bereiten kann, übermittelt sie auch als erfolgreiche Autorin von Kochbüchern, in denen sie große und kleine Hobbyköche dazu einlädt, die Küchenschürze umzubinden und frischen Wind in den eigenen Speiseplan zu bringen.
Im Vorjahr wurde Tina Marcelli in Mailand bei den Cook Awards zum „Chef novità dell‘anno“ gewählt. Noch ein Beweis mehr dafür, dass konstantes Engagement, innovatives Denken und eine gesunde Portion an Verrücktheit (fast immer) zum Erfolg führen.
Rezept
Geschmorte Rindsbacken mit Topinamburpüree von Tina Marcelli
Zutaten:
- 4 Rindsbacken
- 2 EL normaler Senf
- 1 Schuss Rapsöl
- 4 Zwiebeln
- 3 Karotten
- 1/4 Knollensellerie
- 2 Stangensellerie
- 2 EL Tomatenmark
- 650 ml Lagrein
- 1 L – 1,5 L Rinderfond
- 2 Lorbeerblätter
- 5 Wacholderbeeren
- 2 Nelken
- 1 Piment
- 1 Zweig Rosmarin
- Salz, Pfeffer
Zubehör: Pfanne, Bräter, Gewürzsack
Zubereitung:
Wir beginnen mit dem Putzen der Rindsbacken. Das bedeutet, wir entfernen auf der oberen Seite der Backe die Silberhaut. Dann stellen wir eine Pfanne auf den Herd, schalten auf mittlere Hitze, geben das Öl in die Pfanne und braten die Wangen auf beiden Seiten an. Anschließend nehmen wir sie aus der Pfanne, bestreichen sie mit Senf und bestreuen sie mit Salz und Pfeffer.
Wir heizen den Ofen auf 160° Ober-und Unterhitze vor. Karotten, Knollensellerie und Stangensellerie werden gründlich unter Wasser abgewaschen. Anschließend wird das ganze Gemüse grob aufgeschnitten. Wir stellen den Bräter oder einen hohen Topf auf den Herd und schalten den Herd auf mittlere Hitze ein. Wir gießen Öl in den Topf, warten bis es sich erhitzt und geben dann das gesamte Gemüse dazu, welches wir für 5 – 10 Minuten anbraten. Darauf achten, immer mal mit einem Kochlöffel umzurühren, denn verkohlte Stellen geben einen unerwünschten bitteren Geschmack ab.
Wir erhöhen die Temperatur und geben die 2 EL Tomatenmark dazu, rühren das Gemüse um und schauen nach, ob es sich am Topfboden ansetzt. Setzt es sich an, nehmen wir den Rotwein zur Hand und löschen damit das Gemüse in der Pfanne ab. Den Rotwein lassen wir jetzt bis zur Hälfte einkochen. Dann gießen wir den ganzen Rinderfond dazu und lassen alles für ca. 10 Minuten bei mittlerer Hitze leicht köcheln. Nun nehmen wir das Gewürzsäckchen, geben alle Gewürze hinein (Lorbeerblatt, Wacholder, Nelken, Piment, Rosmarin) und binden es gut zu.
Wir nehmen den Bräter oder Topf vom Herd und legen die Wangen dazu. Dabei achten, dass sie fast vollständig mit der Brühe und dem Gemüse bedeckt sind. Jetzt das Gewürzsäckchen dazugeben, den Deckel draufgeben und den Bräter in den Ofen stellen. Dort lassen wir ihn für mind. 90 Minuten. Nach Ablauf der Zeit sollte man aber immer nochmals vorsichtig mit einer Gabel probieren, ob die Backe weichgekocht ist oder noch etwas im Ofen bleiben sollte. Die Sauce nach Wunsch einreduzieren lassen, absieben und abbinden.
Topinamburpüree
Zutaten
- 500 g Topinambur
- 25 g Butter
- 1 Messerspitze Muskatnuss
- Prise Salz
- Prise Pfeffer
Zubereitung:
Topinambur unter kaltem Wasser putzen und anschließend die Knollen halbieren. Topinambur mit der Schale in eine Auflaufform oder auf ein Blech geben und mit Öl beträufeln und salzen.
Für ca. 30 Minuten bei 160° Ober- und Unterhitze im Backofen backen, bis das Innere des Topinamburs weich ist. Das gebackene Gemüse aus dem Ofen nehmen, in einen Mixer geben und mit Milch und Butter zu einem Püree mixen.
Zum Schluss mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss abschmecken.
Zwiebelconfit
Zutaten
- 1 Zwiebel
- 2 Lorbeer
- 4 Pfefferkörner
- 200 g Zucker
- 50 ml Vermuth
- 150 ml weißer Essig
- 50 ml Wasser
Zubehör: 1 Einweckglas
Zubereitung:Zwiebel schälen, halbieren und längs in Streifen schneiden.
Die Zwiebelscheiben in ein kleines Einweckglas geben und Lorbeer und Pfefferkörner dazugeben. Einen kleinen Topf auf den Herd stellen, Vermuth, Essig und Wasser hineingießen und einmal kurz aufkochen lassen.
Jetzt die heiße Flüssigkeit zu den Zwiebeln ins Einweckglas gießen und mit dem Deckel verschließen.